Begreifen wir den Terror?

Eine Frau mit Händen vor ihren Händen vor dem Gesicht als Ausdruck der Angst
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Gerade als wir begannen die Vorkommnisse von Nizza zu realisieren und in ihren Ansätzen zu begreifen, folgte in der Türkei ein fehlgeschlagener Militärputsch, eine Axtattacke in einem deutschen Zug und gestern ein „Terrorakt“ in der Münchner Innenstadt. Nun ist es amtlich: Der Terror hat Europa im Griff - im Würgegriff. Aber wie befreien wir uns aus dieser Umklammerung und verstehen wir tatsächlich unsere Rolle dabei? Ein paar Gedanken zum Wochenende …

1. Freiheit und Einschränkung sind keine Gegensätze mehr!

Eines gleich vorweg: Ich weiß nicht, wie wir dem Terror effektiv in einer kurzen Zeitspanne begegnen können. Wenn ich es wüsste, wäre ich vermutlich in einer anderen Funktion. Aber etwas Anderes lässt sich beobachten. Wir sind in unserer Freiheit nicht mehr „frei“. Wir leben vielleicht noch nicht in ständiger Angst, aber in permanenter Sorge, hinterfragen, wo wir uns noch halbwegs gesichert bewegen können und wo wir unseren Urlaub verbringen werden.

Die Terroristen erklären ihren beschränkten Horizont zum Nabel der Welt. Dieses eingeschränkte Verhältnis zur begabten Vernunft macht sie „unfrei“ und dennoch Erfahren sie Freiheit, indem sie durch Terror unsere Freiheit beschneiden. Daraus resultiert, dass wir Europäer/-innen unsere Idee des Freiheitsbegriffs nicht mehr leben können. Somit sind wir freie Individuen, deren Freiheit durch die Angst beschränkt wird. Also sind wir „unfrei“ - obwohl diese Bezeichnung historisch problematisch ist.

2. Was sind die Motive des Terrors?

Verzweiflung, Angst, Existenzängste und Perspektivenlosigkeit sind zentrale Elemente, die jeder Form des Terrors zugrundeliegen dürften. Denn sie ermöglichen erst die einfache Manipulation durch radikalisierte Menschen. Aber funktioniert das nur in die eine Richtung, oder ist diese Straße der Argumentation eine mit Gegenverkehr? Ich formuliere die gewagte These, dass Radikalismen auch in unserem Gesellschaftssystem zum Alltag gehören und ich spreche noch nicht von unserer Unfähigkeit, differenzierte Diskussionen zu führen, ohne den Populismus zum tragenden Element werden zu lassen.

Beispielsweise sind wir verzweifelt, dass wir keinen Zugang zu Rohöl mehr haben könnten. Diese Perspektivenlosigkeit schürt Ängste um unsere Existenz, zumal wir uns keine Rohöl-freie Welt vorstellen können. Auch wir haben dann Kriege an verschiedenen Schauplätzen angezettelt, die örtliche Opposition mit Waffen versorgt und agieren in ohnehin krisengebeutelten Ländern mit Großzügigkeit, nachdem wir Geld zur Verfügung stellen, um die herrschenden Regime abzusetzen und danach wieder bessre Konditionen beim Erdöl zu bekommen. Der Rohstoff ist dabei austauschbar, denn auch in unseren Smartphones befinden sich welche aus bürgerkriegsbelasteten Krisenregionen.

Fazit: Wo bleibt die Veränderung?

Doch wer glaubt, dass die Terrorangriffe in Europa eine Zeit der Reflexion über unsere Rolle in der Weltpolitik auslöste, irrt. Dabei geht es genau darum! Beuten wir andere Länder sozial und materiell aus? Ja! Destabilisieren wir deren Gesellschaft, um Vorteile für uns zu ziehen? Ja! Nehmen wir unsere Verantwortung bei der Bewältigung der Migration wahr? Nein! Sorgen wir eingedenk des zunehmenden Populismus für ein tolerantes Klima, in dem sich alle Teile der Gesellschaft wohlfühlen? Nein! Passiert in den Schulen eine tatsächliche Aufklärung, die unser Verantwortungsbewusstsein sensibilisiert? Nein!

Wir sorgen uns vorrangig - und das ist verständlich - um unsere Sicherheit. Doch das Problem wird sich vermutlich nicht lösen lassen, bevor wir es nicht an der Wurzel behandeln. Wie sieht es mit der wirtschaftlichen Integration der Migrant/-innen aus? Haben wir eine fundierte, europäische Identität, die als Angebot für alle dienen kann und nicht Menschen a priori ausschließt? Wenn Europa ein Identitätsangebot für Menschen mit einem anderen Glauben, einer anderen Mentalität und einer anderen Kultur machen kann, das den Respekt der Rechtsstaatlichkeit sicherstellt, haben wir vielleicht eine Chance. Und die Bildungspolitik wird hier eine zentrale Rolle spielen …