Digitale Panikmache als gutes Geschäft!

Smartphones auf einem Tisch
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Autoren wie Manfred Spitzer stellen sich prominent gegen neue Technologien bei unseren Jüngsten. Diese Technologien würden unsere Jugend verderben und einen schädigenden Einfluss ausüben. Es wird von digitaler Demenz gesprochen und auf die Gefahren der neuen Technologien verwiesen. Mit Büchern und Vorträgen zu diesem Thema wird ein gutes Geschäft gemacht, weshalb kritische Aussagen gegen neue Technologien mit Vorsicht zu genießen sind. Aber was steht dahinter und welche Berechtigung haben sie? Eine kritische Beleuchtung aus der Bildungsperspektive …

1. Neue Technologien sind ein Faktum!

Ähnlich wie die Berge in Österreich, sind auch die neuen Technologien in unserer Gesellschaft ein unverrückbares Faktum. Unsere Gesellschaft ist von ihnen durchzogen und unsere Kommunikationsebenen haben sich vervielfältigt: Persönlich, Telefon, Email, Web2.0, WhatsApp, Facebook, Twitter, Google+, Snapchat, Youtube, usw.! Der gelernte Umgang mit diesen Medien entscheidet, ob sie einen schädigenden, süchtig machenden oder bereichernden Einfluss haben. Der Umgang, nicht die Technologie per se.

Die fehlende Unterscheidung zwischen einem angemessenen Umgang und der Technologie ist die Quelle vieler Missverständnisse auf diesem Gebiet. Diese Unsicherheit verbreitet unverhältnismäßige Panik unter den Eltern und ist die Quelle guter Geschäfte. Aber umgekehrt gefragt: Würden sie ein Buch kaufen, das den Umgang mit Alkohol zur Gänze verbietet? Wenn jemand bedauerlicherweise alkoholkrank wird, ist der Alkohol oder die Person Schuld? Wenn jemand auf einen Berg steigt und stürzt, ist der Berg oder die Person Schuld? Ähnlich verhält es sich bei der Verwendung der neuen Medien.

2. Die Dosis macht das Gift!

Es klingt abgedroschen, aber die Dosis macht noch immer das Gift. Mir ist es wesentlich lieber, unsere Kinder lernen früh den richtigen Umgang mit neuen Medien, bevor sie von ihnen abgeschirmt werden und später erst recht in eine Art der digitalen Sucht verfallen, weil sie zum ersten Mal mit diesen Technologien in Berührung kommen. Genau dann verfallen Menschen in Süchte: Wenn sie mit etwas konfrontiert und überfordert werden und Gefallen daran finden. Erlernen Menschen beispielsweise früh einen gesunden und verhältnismäßigen Umgang mit Alkohol, wird das Risiko einer Alkoholsucht gesenkt. Weil Kinder etwa 25 Prozent der Zeit in der Schule vor dem Bildschirm verbringen könnten, würden sie noch lange nicht süchtig. Punkt!

Schüler/-innen mit einem Tablet
© Axel Zahlut

Genau jene Menschen applaudieren zu derart schwindeligen Argumentationen der Panikmache, die selbst mit dem digitalen Einkaufszettel am Handy im Supermarkt stehen und den ganzen Tag vor dem Bildschirm verbringen (Email und Facebook). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch das Faktum, dass die Gruppe der älteren Bürger/-innen die einzige ist, deren Facebook-Nutzung in letzter Zeit gestiegen ist. So viel zum Thema Suchtpotenzial! Die jüngeren Bürger/-innen wenden sich vermehrt davon ab, um sich anderen Kommunikationsformen zuzuwenden.

3. Meine Erfahrung ist eine andere!

Mein Eindruck ist ein gänzlich widersprechender zu Thesen wie sie von Manfred Spitzer und co. formuliert werden. Seit dem Jahr 2009 bin ich in europäische Bildungsprojekte im Zusammenhang mit der Nutzung neuer Medien involviert. Ich persönlich war seit 2009 in kein Projekt involviert, das nicht auf einen verantwortungsvollen Umgang mit neuen Technologien fokussiert war. Ganz im Gegenteil! Seit 2009 beobachte ich Schüler/-innen in verschiedenen Schulen, wie sie mit neuen Medien umgehen und kann nur sagen: Wir, die etwas arriviertere Generation, kann sich warm anziehen.

In Punkto Effizienz, Produktivität, Geschwindigkeit und Navigation sind die aktuellen Schüler/-innen tatsächlich digital natives und verstehen das Internet. Die aktuelle Generation zeigt höchstens Zeichen der Überforderung, wenn eine zu große Diskrepanz zwischen der privaten und schulischen Nutzung entsteht. Anders formuliert: Wenn Erwachsene ihnen erklären wollen, dass sie ihre Computer und Handys weniger benützen sollen, ihre Umwelt aber zwecks der sozialen Integration das Gegenteil verlangt.

Fazit: Unverhältnismäßige Panikmache!

Skeptische Thesen zur Verwendung digitaler Medien sollten stets kritisch hinterfragt werden. Welche Motive haben die Autoren wirklich und welche wirtschaftlichen Interessen stehen dahinter? Im Zweifelsfall sollte auf den eigenen Hausverstand gehört werden. Eltern sollten überlegen, welche Kompetenzen ihre Kinder in Zukunft mitbringen sollten und ob die effiziente Verwendung neuer Technologien dazugehört. Ein Aspekt, den es noch zu bedenken gilt, ist die soziale Teilhabe an der modernen Gesellschaft beziehungsweise die soziale Exclusion. Menschen, die unsicher im Umgang mit dem Smartphone oder dem Computer sind, werden systematisch von der gesellschaftlichen Kommunikation ausgeschlossen (Rechnungen, Infos, Nachrichten, Kommunikation, etc.). Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich möchte nicht, dass mein Kind von der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Ich habe Vertrauen in eine gute Erziehung, welche die Smartphone-Nutzung richtig dosiert …