Idealistische Politiker?

Barack Hussein Obama
Quelle: https://pixabay.com/de/obama-barack-obama-präsident-mann-356133/ 14/1/17

Dass ich ein Idealist bin, ist bekannt. Dass unseren PolitikerInnen oft Visionen und klare Konzepte fehlen, auch. In dieser Woche haben sowohl Barack Obama als auch Christian Kern mit beeindruckenden Reden auf sich aufmerksam gemacht. Der Eine, um Bilanz zu ziehen, der Andere, um zu zeigen, dass es sehr wohl PolitikerInnen mit klaren Visionen gibt. Der Eine, um zu zeigen, dass viel erreicht wurde und sein Erbe für jeden Nachfolger - insbesondere Donald Trump - nicht leicht sein wird, der Andere, um zu zeigen, dass es ein Konzept gibt. Doch was ist ihnen gemein?

Erfolge trotz Blockade

Während der letzten Jahre seiner Präsidentschaft galt Barack Obama als „lame duck“. Bei jeder seiner Vorschläge stand ihm der republikanisch kontrollierte Kongress (Anm. d. Red. Repräsentantenhaus und Senat) gegenüber. Dennoch wurde einiges erreicht. Innenpolitisch wurde die größte Wirtschaftskrise der jüngeren Vergangenheit überwunden,  es wurden Arbeitsplätze geschaffen, gleichgeschlechtliche Ehen als Verfassungsrecht verankert und eine leistbare Krankenversicherung für 85 Prozent der AmerikanerInnen umgesetzt. Nicht übel für eine „lame duck“, oder? Außenpolitisch sind der Atomdeal mit dem Iran, die Liquidierung Osama bin Ladens und ein ambitionierter Klimavertrag zu nennen.

Die österreichische Innenpolitik ist in ihrer Mickey Mouse Version auch von einer Blockade gekennzeichnet. Aus taktischen Gründen verwehren sich die jeweiligen Regierungspartner auch bei Vorschlägen des Gegenübers. In der früheren roten Hochburg und nun blau dominierten Stadt Wels wurde ganz klar formuliert, was viele seiner Vorgänger schon vergessen zu haben schienen: „Nicht ihr habt euren Weg verlassen, sondern wir.“ Bis 2020 sollen 200.000 konjunkturunabhängige Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist ambitioniert und endlich einmal eine klare Vision und keine leere Hülse der Versprechungen.

Umgang als prägendes Element

Es gibt noch eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Protagonisten. Sie stehen beide für einen kooperativen Stil des politischen Umgangs. Nicht, wie der designierte US-Präsident Trump, der auf Konfrontation aus ist, oder Teile der europäischen Opposition, deren einziges Kennzeichen populistische Parolen des despektierlichen Umgangs sind. Schimpfen kann jede/r, umsetzen nur wenige. Barack Obama und Christian Kern sind populäre Antipopulisten, weil sie populär sind, oder zu sein scheinen, aber dennoch mit Mut die Dinge beim Namen nennen. 

Hoffnung, Mut und Optimismus sind keine neue, aber fast vergessene Qualität des politischen Umgangs. PolitikerInnen in Regierungsverantwortung sollten ehrlich sein, aber nicht schwarzmalen. Das kann man der Opposition überlassen, deren Aufgabe es ist, Verbesserungen aufzuzeigen und, zu kritisieren. Die Regierenden oblagen oft der Illusion, sie müssten Oppositionspolitik machen, damit sie bei Wahlen erfolgreich sind. Nein! Sie sollten einen möglichst guten Job machen und die WählerInnen nachher entscheiden lassen.

Versprechen münden in Erwartungen

Barack Obama musste diese Tatsache am eigenen Leib erfahren. Auch wenn einiges umgesetzt wurde, ein neuer und konstruktiver Wind wehte, die WählerInnen wollen immer mehr - teilweise zu Recht. Große Versprechen münden in großen Erwartungen, die danach enttäuscht werden können. Wenn in der Politik Erwartungen bestehen, werden diese fast immer enttäuscht. Und dieses gefühlte Vakuum versuchen anschließend sogenannte Heilsbringer mit einfachen Konzepten zu besetzen. Die österreichische Bundesregierung hat gefühlte 20 Neustarts angekündigt und jedes Mal stiegen die Erwartungen der BürgerInnen.

Zwei Hände, ein Versprechen
Quelle: https://pixabay.com/de/hände-daumen-versprechen-finger-1923185/ 14/1/2017

Die Blockadehaltung sollte der Konstruktivität Platz machen. Doch immer wieder waren interne Grabenkämpfe in den jeweiligen Parteien für das Gegenteil verantwortlich. Seien es strategische Allianzen in der SPÖ (Anm. d. Red. Koalition mit der FPÖ) oder ländliche Partikularinteressen auf Seiten der ÖVP und eine Zerstrittenheit an der Parteispitze (Anm. d. Red. Mitterlehner vs. Lopatka).Vielleicht ist das der Grund, dass sich kein/e PolitikerIn mehr zutraut, hinter einer Vision zu stehen und diese auch laut zu formulieren. Das wiederum kritisieren die WählerInnen und die Folge ist Verdrossenheit.

Fazit: Vision laut formulieren!

Verlieren werden die politischen VertreterInnen auch, wenn sie eine Vision formulieren.  Es geht um die Umsetzung. Deshalb lieber die Ambitionen kundtun, als farblos in der politischen Bedeutungslosigkeit und der geschichtlichen Irrelevanz zu enden. Wenn die Politik ambitioniert ist und scheitert, ist das kein Zeichen eines schwachen Systems, sondern ein Zeichen einer lebhaften Politik. Und genau das wollen wir ja. Obama wusste, dass er viele seiner Reformen mit der Machtübernahme der Republikaner im Kongress nicht mehr erreichen würde. Hat er deshalb aufgehört, zu arbeiten? Er hatte auch keine Motivation der Wiederwahl mehr, dennoch wurde gearbeitet. Christian Kern ist dieser Umstand auch bekannt. In allen Umfragen führt die FPÖ, dennoch versucht er, zu arbeiten und steht hinter gewissen Konzepten. Sowohl Barack Obama, als auch Christian Kern versuchen sich auf die Kernaufgabe der Politik zurückzubesinnen. Das Volk gemäß des erteilten Auftrags zu vertreten. Ob das gelang oder gelingen wird, steht auf einem anderen Zettel. Dem Stimmzettel der nächsten Wahl …