Rücktritt! Aber wovon genau?

Werner Faymann nach seinem Abtritt - Foto
Quelle: Bild- SN/APA/ROLAND SCHLAGER

Jetzt also doch. Bundeskanzler Werner Faymann erklärt seinen Rücktritt. Überrascht ob dieses Schrittes war niemand mehr, außer vielleicht seine eigene Partei. Doch die Frage bleibt im Raum, wovon er eigentlich zurückgetreten ist: Als Regierungschef einer Regierung, die wie gelähmt bei essentiellen Themen der gesellschaftlichen Entwicklung agierte? Als Parteichef einer Partei, die er sicher nicht mehr hinter sich wusste und aus welcher die Rufe nach einer Neuorientierung im U-Bahn-Takt kamen? Die rot-schwarze Koalition ist angezählt, kurz vor der Implosion. Doch was bedeutet dieser Schritt für Österreich?

Rufe erhört, Konsequenzen gezogen!

In einem Artikel nach dem 1. Mai habe ich Bundeskanzler Werner Faymann mehr als nahegelegt, seine persönlichen Konsequenzen zu ziehen. Zum damaligen Zeitpunkt wurden immer mehr Rufe aus den Landesorganisationen der SPÖ laut, die seinen Rücktritt forderten. Doch mit diesem Umstand war Werner Faymann vertraut, zumal nach jeder Wahlniederlage der SPÖ seine Person im Zentrum der Diskussion war. Doch die lauten Buhrufe während der Kundgebung zum 1. Mai haben ihn vielleicht dazu veranlasst, aktiver über seinen Abgang nachzudenken. Denn der traditionelle Mai-Aufmarsch wurde zu einem Aufstand der Parteibasis. Der Rückhalt war weg und viel schlimmer: die Person Werner Faymann wurde nicht mehr ernst genommen. Für einen Partei- und Regierungschef der Wendepunkt.

Überrascht über überraschten Abgang?

Gestern war es dann soweit. Im Pressefoyer wurde der Abgang verkündet. Der Zeitpunkt überraschte sogar Wiens mächtigen Bürgermeister Michael Häupl, der noch zwei Stunden vorher von einem Verbleib Faymanns ausgegangen war. Enge Vertraute sollen bereits am Wochenende davon gewusst haben, doch innerhalb der SPÖ war die Überraschung dennoch groß. Man zeigte sich fast geschockt über einen Abgang, der keine Überraschung war - politisch nicht und persönlich schon gar nicht. Die Verantwortung der Partei und den Wähler/-innen gegenüber kann nicht mehr wahrgenommen werden, wenn das Vertrauen fehlt. Für externe Beobachter/-innen ein logischer Schritt. Doch die Zerrissenheit der SPÖ zeigt sich daran, dass man nicht auf diesen Schritt vorbereitet war. Wenn Kritik geäußert wird, sollte bereits eine personelle Alternative in der Hinterhand vorhanden sein.

Das Erbe Faymanns:

Was bleibt von Werner Faymann? Immerhin war er einer der länger dienenden Bundeskanzler der zweiten Republik. Seine Amtszeiten waren von Krisen überschattet, die es zu bewältigen galt. Sei es die europäische Finanzkrise, die österreichische Bankenkrise und nicht zuletzt die Flüchtlingskrise. Österreich hat diese Krisen überstanden - nicht optimal, aber immerhin. Gerade die Bankenkrise, die den Steuerzahler/-innen Milliarden kosten wird (Stichwort: Hypo-Alpe-Adria), schränkt unseren Finanzspielraum erheblich ein. Die Flüchtlingskrise polarisiert zwar das Land, ist aber vom finanziellen Aufwand her leichter zu verkraften - kulturell sowieso. Auch wenn von Kritiker/-innen gerne Gegenteiliges behauptet wird, 90.000 Menschen können nicht 8 Millionen eine kulturelle Veränderung aufzwingen.

Wie geht es weiter?

Selbstverständlich werden nun Rufe nach Neuwahlen laut. Der Spitzenkandidat einer Partei während der letzten Wahlen ist weg. Daher ist diese Forderung legitim. Aber viel interessanter ist, dass die Integrationsfigur für die Unfähigkeit der Regierung weg ist. Wann immer Reformen scheiterten meinten wir: „Klar, die Regierung Faymann bringt nichts zustande.“ Einen derartigen Pol wird es für die verbleibenden zwei Jahre Legislaturperiode nicht geben - für Oppositionsparteien interessant, zumal man sich inhaltlich nicht auf eine Person wird einschießen können. Der aktuelle Bundespräsident hat nun zum letzten Mal die Aufgabe, einen Regierungschef zu ernennen. Schlechter kann es ein/e Nachfolger/-in tatsächlich nicht machen, so die öffentliche Meinung …