Liebe Grüne! Ein offener Brief …

Füllfeder und leeres Blatt Papier
Quelle: https://static.pexels.com/photos/356392/pexels-photo-356392.jpeg 19.10.2017

Ihr wollt die Meinungen jener Menschen hören, die Euch dieses Mal nicht das Vertrauen geschenkt haben. Ich sympathisierte mit Eurer Bewegung, die in konkreten Anliegen vieler BürgerInnen ihren Ursprung hatte (Zwentendorf und Hainburger Au). Dass Ihr unter dem medienwirksam inszenierten Dreikampf um die stimmenstärkste Partei zu kämpfen haben werdet, war klar. Aber es sind Fehler passiert, die den Eindruck hinterlassen, als handle es sich nicht mehr um das, was Ihr einmal ward. Eine Bewegung.

Botschaften eines Paralleluniversums

Jede Partei sucht ein Thema, das sie glaubhaft und langfristig besetzen kann. Die FPÖ spielt seit langer Zeit auf der „Migrationsgeige“ und die SPÖ verkörpert seit jeher die Anliegen des sozialen Ausgleichs. Bei der ÖVP war es stets die Wirtschaftskompetenz. Doch scheint es ihre WählerInnen nicht zu stören, dass hier Themen mit der FPÖ geteilt werden. Ihr hättet hier eigentlich ein Heimspiel. Denn als mittlerweile etablierte Öko- und Kontrollpartei wäre es folgerichtig, in Zeiten des Klimawandels und des Rechtsrucks in Europa, leicht verständliche Konzepte an die Frau und an den Mann zu bringen. Besonders, wenn sich 60 Prozent der ÖsterreicherInnen rechts orientieren.

Eine Bewegung lebt davon, dass sie sich stets kritisch positioniert und bei Wahlen ihre Stimme jenen gibt, die auf aktuelle Anliegen konkrete Antworten anbieten. Aus diesem Grund dürfte es Euch auch nicht gelungen sein, ein grünes Milieu als StammwählerInnen zu etablieren. Bei einer Bewegung ist dem so. Eure StammwählerInnen sind eine kritische Masse, welche die Fähigkeit besitzt, sich selbst zu hinterfragen und nicht blind der eigenen Partei zu folgen. Darauf könnt Ihr eigentlich stolz sein. Aber diese kritische Masse muss jedes Mal neu gewonnen werden. Ob sich die Grünen selbstkritisch hinterfragen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Vor allem, wenn es fünf vor zwölf ist. Anstatt gegen den Rauswurf aus dem Parlament zu kämpfen und das den WählerInnen klar zu kommunizieren, werden realitätsferne Bedingungen für eine unwahrscheinliche Regierungskoalition gestellt. 

Als die Möglichkeit bestand, dass es zur Neuauflage einer Koalition zwischen der ÖVP und der FPÖ kommt, hat die SPÖ die Gunst der Stunde genützt und den Grün-WählerInnen ein Angebot gemacht, das offenbar gehört wurde. Auch in diesem Verhalten wurde der Charakter einer Bewegung, die eure WählerInnen im Vergleich zur Partei jedenfalls noch sind, deutlich. Und nur die Moralkeule zu schwingen und sich gegen etwas zu positionieren, war zu wenig. Vielleicht ist nun die Möglichkeit gegeben, verstärkt auf die kommunale Ebene zu fokussieren und sich konkreter Anliegen anzunehmen.

Grünes Fragezeichen
Quelle: https://pixabay.com/de/fragezeichen-konzept-weiß-anmelden-213671/ 19.10.2017

Als der amtierende Bundespräsident die Geschicke der Partei leitete, gelang die Verbindung moralischer Inhalte an eine volkswirtschaftliche Logik. Seit seiner Amtsübergabe ist jedoch zu beobachten, dass der Moralingehalt in der Säurebatterie der Grünen zugenommen hat. Von einer Verbotspartei und abgehobenen, BürgerInnen-fernen Forderungen war immer wieder zu hören. Die Jungen Grünen, die diesen Zustand kritisierten und nach Veränderung riefen, wurden in einer überheblichen Reaktion rausgeworfen. Doch letztlich haben sie von ihrer Mutterpartei nur das gefordert, was seit ihrer Gründung als selbstverständlich galt. Nämlich das kritische Hinterfragen des Status quo in einer basisdemokratischen Auseinandersetzung.

Der Neustart war unumgänglich! Die Rückbesinnung auf ursprüngliche Haltungen, die Euch groß gemacht haben, muss effektiver kommuniziert werden. Ich bin zwar kein großer Freund des Köpferollens, aber vielleicht sollte die Beliebtheit der Wiener Parteivorsitzenden kritisch hinterfragt werden. Wenn das Ergebnis einer Urabstimmung der Wiener Grünen übergangen wird, ist das, was Euch ausmacht, ausgehebelt. Basisdemokratische Strukturen. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit massiv. Ein systemisches Hinterfragen ist daher notwendig. Mit den richtigen Schlüssen wird der Wiedereinzug in den Nationalrat in fünf Jahren gelingen. Aber die kommunizierten Inhalte müssen leichter verständlich, mit konkreten Lösungen versehen und stringent verbreitet werden.

In der Hoffnung, dass Ihr bald wieder die parlamentarische Demokratie bereichert, wünsche ich Euch alles Gute. 

A.Z.

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