Bonzen und demokratische Verantwortung!

"Der Preis der Größe heißt Verantwortung." (Winston Churchill)
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Das Referendum in Großbritannien liegt hinter uns. Die Britinnen und Briten haben mit einer knappen Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Das Ergebnis ist zu Kenntnis zu nehmen, zumal es demokratisch zustande gekommen ist. Doch der Ton, der von den Befürworter/-innen eines EU-Austritts angeschlagen wird, ist bedenklich, irreführend und nur im allerbesten Fall populistisch. Wieso wird von einer europäischen Diktatur und ihren Bonzen (Anm. d. Red.: Wortwahl von Vertreter/-innen von UKIP) gesprochen? Wir beleuchten:

1. Eine demokratische „Diktatur“?

Behandeln wir zunächst den Vorwurf, die Europäische Union wäre eine Diktatur? Haben die Menschen schon vergessen, dass alle fünf Jahre Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden? Haben die Menschen auch vergessen, dass die stimmenstärkste Fraktion der letzten Wahlen nun den Präsidenten der Europäischen Kommission stellt? Oder haben die Menschen vergessen, dass das undemokratische Element der Europäischen Union der Rat der Staats- und Regierungschefs ist, der zwar die meisten Entscheidungen der Kommission einstimmig mitträgt, aber deren Entscheidungen dann auf nationalstaatlicher Ebene ohne Ende kritisieren?

Von der europäischen Diktatur reden meistens jene Menschen, die gar nicht wissen, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament stattfinden. Oder es sprechen jene von Diktatur, die gar nicht zur Wahl gehen und sich einer Demokratie unwürdig erweisen. Aber sie sprechen von Diktatur? Das wäre so, als würde man Nordkorea als Quell der Freiheit definieren. Also bevor von undemokratischen Elementen gesprochen wird, sollten wir unsere demokratischen Pflichten wahrnehmen.

2. Bonzen bezeichnen sich selbst als Bonzen!

Was haben Nigel Farage (UKIP) und Marine Le Pen (Front National) gemeinsam? Klar, sie kritisieren die Europäische Union. Sie bezeichnen deren Vertreter/-innen als entbehrlich und als Bonzen. Sie wollen, dass die Union zusammenbricht und in Kleinstaaterei endet. Das letzte Mal, als ich nachgesehen habe - und das war vor ein paar Minuten - sind sowohl Marine Le Pen als auch Nigel Farage Abgeordnete zum Europäischen Parlament. Und das seit 2004. Auf ihre Gehälter haben sie, so darf man annehmen, nicht verzichtet und ihr Spesenkonto würde ich gerne sehen. Wenn also von destruktiven Bonzen gesprochen wird, sollte vielleicht vor der eigenen Türe gekehrt werden. Denn im Europaparlament zu sitzen, die Gehälter zu kassieren, gegen alles zu sein und sich nicht an ernst gemeinten Reformen zu beteiligen, das ist ein Verhalten, das Bonzen alle Ehre macht.

3. Bildungsauftrag: Demokratieverständnis!

Österreichisches Parlament mit einer Statue der Pallas Athene
Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/23/Wien_-_Parlamentsgebäude_mit_Pallas_Athene.jpg

„Demokratie ist die Herrschaft der Unfähigen über die Desinteressierten.“ (Alfred Dorfer) Mit diesem Satz brachte es der Kabarettist Alfred Dorfer treffend auf den Punkt. Allerdings bedingt das Eine das Andere: Wenn die Staatsbürger/-innen desinteressiert sind, nominieren die Parteien unqualifizierte Vertreter/-innen. Bildung bedeutet vor allem auch, eine erfolgreiche Partizipation an der Gesellschaft. Das bedeutet schlichtweg, dass den jungen Menschen ein Verständnis der politischen Verantwortung beigebracht werden sollte. Sie sollten über die Mechanismen der Beteiligung an politischen Entscheidungen aufgeklärt werden. Wird bereits früh ein derartiges Verständnis geschult, sind die Menschen später weniger anfällig für Populismus.

Fazit: Positive Emotionen erwünscht!

Etwas hat das Referendum in Großbritannien klar aufgezeigt: Es bestehen zum Teil berechtigte Ressentiments gegen die Entscheidungsmechanismen der Europäischen Union. Aus meiner Sicht liegt hier tatsächlich im Rat der Europäischen Union der Hund begraben. Das Parlament ist vollständig demokratisch legitimiert. Seine Entscheidungskompetenzen sind leider noch nicht allumfassend, weshalb der Eindruck der fehlenden Demokratie entstehen kann. Aber das Referendum in Großbritannien zeigte auch, dass Debatten nicht mehr sachlich geführt und Argumente nicht mehr gehört werden. Wenn die Europäische Union gegen negative Ressentiments erfolgreich ankämpfen möchte, ist es an der Zeit, positive Emotionen bei jeder/m Einzelnen zu schüren. Das wird allerdings nur gelingen, wenn die Vorteile der EU für jede/n emotional spürbar werden …