Belasten Selbstbehalte doppelt?

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Quelle: https://pixabay.com/de/frau-gesicht-einblick-gegenüber-2944070/ 28.03.2018

Aktuell wird mal wieder über eine Reform der Sozialversicherungsträger und ihrer Struktur diskutiert. Es gäbe sehr viel zu tun. Wenn ich die Medien und die darin transportierten Meinungen lese, wird über Selbstbehalte im Falle einer Krankheit zumindest nachgedacht. Während der gesamten Diskussion geht es um weit mehr als wirtschaftliche Überlegungen. Es steht der Konflikt zwischen dem Sozialstaat und neoliberaler Überlegungen im Zentrum.

Was spräche für Selbstbehalte?

Auf den ersten Blick spricht für den Ausbau der Selbstbehalte die Erwartung der Effizienzsteigerung bei den anfallenden Kosten. Das System, so die Argumentation, greift zu jenem Zeitpunkt ein, an dem alle Möglichkeiten der privaten Finanzierung ausgelotet sind. Zweitens steigen wir günstiger aus, wenn wir nicht von einer Krankheit oder einem Leiden betroffen sind. Genau hier ergibt sich vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung ein Problem.

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Quelle https://pixabay.com/de/leben-werden-wird-präsenz-hier-511556/ 28.03.2018

Diese steigt kontinuierlich und mit einem Blick auf das Pensionssystem ist naheliegend, dass wir länger arbeiten werden. Das führt auch dazu, dass wir öfter krank werden und hier sind Selbstbehalte kontraproduktiv. Der letzte „Vorteil“, den ich in einer Diskussion gehört habe, war, dass durch sie die Motivation stiege, einen gesünderen Lebensstil zu führen. Doch realiter führen sie nur dazu, dass man zweimal überlegt, bevor man ein/e Arzt/Ärztin aufsucht und damit Krankheiten sogar potenziell verschleppt.

Was spricht gegen Selbstbehalte?

Wer mit einer Krankheit oder einem chronischen Leiden zu kämpfen hat, muss sowieso mehr private Mittel in diesem Lebensbereich aufwenden. Therapien, von denen nur ein Prozentteil übernommen wird, Fahrtkosten, Einschnitte im Berufsleben und damit auch bei der Bezahlung, Kosten für die Kinderbetreuung während der Spezialbehandlungen bis zu Kosten, die bei der Adaptierung des Lebensstils anfallen können. Wer krank ist, zahlt also. Kommen noch Selbstbehalte hinzu, wird man dafür bestraft, krank zu sein. Ob das ein Ziel des Sozialstaats sein kann, ist die Frage.

Sozialstaat vs. neoliberaler Eigenverantwortung

Sollten die Selbstbehalte ausgebaut werden, wird die Bundesregierung in ihrer gewohnt kommunikationstechnischen Professionalität behaupten, es würde „sich um einen kleinen Beitrag handeln, weil die Allgemeinheit nichts dafür kann, wenn man erkrankt“. Wäre das nicht zynisch? Als ob wir freiwillig erkranken würden.

Hände
Quelle: https://pixabay.com/de/hand-mensch-mann-alt-erwachsener-3257945/ 28.03.2018

Letztlich geht es um einen Richtungsstreit in unserer Gesellschaft. Fühlen wir uns einem solidarischen Sozialstaat verpflichtet, oder ziehen uns die neoliberalen Konzepte der Eigenverantwortung stärker an? Das hat wenig mit dem vielzitierten schlanken Staat zu tun, sondern stellt diesen in seiner Gesamtheit in Frage. Das Endstadium dieser Entwicklung wären die USA, deren Gesundheitssystem ich nicht bei uns sehen will …