Hat NZZ.AT verschlafen?

Quelle: https://pixabay.com/de/pinguin-linux-schlafen-tier-159784/ 06.02.2017
Quelle: https://pixabay.com/de/pinguin-linux-schlafen-tier-159784/ 06.02.2017

Erwachsene, die den ganzen Tag vor dem Computer sitzen, primär über Emails kommunizieren und ihre Einkaufsliste ins Smartphone tippen, reden von der digitalen Sucht, die bei den SchülerInnen verhindert werden muss. Ich bin über einen Artikel in der NZZ.AT gestoßen und war einigermaßen verwundert. Man erwartet solch undifferenzierte Aussagen in Kleinformaten oder in Facebook-Posts, nicht in einem sogenannten Qualitätsmedium. Da wurden Dinge miteinander in einen Topf geworfen, die da nicht hingehören und zeigen, was genau in der Bildungsdiskussion schiefläuft. Aber alles der Reihe nach … 

Der gesellschaftliche Kontext

Im mir vorliegenden und hier verlinkten NZZ-Artikel wird von der digitalen Droge in der Bildung gesprochen und, dass mit der Digitalisierung die Fähigkeit, zu denken von Algorithmen großer Internetkonzerne abgelöst werden soll. Die Digitalisierung der Bildung hätte bisher nichts gebracht und es gäbe keine empirischen Untersuchungen, die das Gegenteil beweisen und einen frühzeitigen Einsatz nahelegen würden. Es mag aber auch an der Unfähigkeit des Autors liegen, Entwicklungen systemisch zu erfassen. Technische Veränderungen und Entwicklungen können nur gemeinsam mit der Gesellschaft verstanden werden, in der sie entwickelt wurden. Fehlt aber die pädagogische Einbettung, hilft die beste Erfindung und sogenannte technische Revolution nichts.

Wenn sich also die erhofften Veränderungen nicht einstellen, stimmt das pädagogische Konzept dahinter nicht. In seinen Grundzügen ist dieses einfach sehr, sehr alt. Zwar wurde es immer wieder adaptiert, ist aber weit von dem weg, wie wir Bildung heute auf einem weißen Blatt Papier konzipieren würden. Und zur Empirie: Hat der Autor noch nie etwas vom European Schoolnet gehört, das sich dem Einsatz neuer Technologien im Zusammenhang mit einer veränderten Pädagogik verschrieben hat? Unzählige europäische Bildungsprojekte führten zur Schaffung eines Klassenraums der Zukunft - das sogenannte Future Classroom Lab. Ein Besuch der Website ist sehr zu empfehlen.

Das kritische Denken

Wer so tut, als würde die Technik das selbstständige und kritische Denken ersetzen, hat weder technische Veränderungen noch die moderne Pädagogik verstanden und sollte sich zu diesem Thema differenzierter äußern. Wer glaubt, die Technik ersetzt das Denken, mag das vielleicht für sich selbst erhoffen. Der pädagogische Auftrag ist das jedenfalls nicht. Es geht um das stringente, pädagogische Konzept dahinter. Steht dieses nicht, wird die Implementierung der Technik in der Schule nicht verstanden. Wenn aber unter „Bildung 4.0“ auch die Pädagogik verstanden wird, hat die Transformation Erfolg.

Übrigens waren es bisher oft LehrerInnen, die der Technik gegenüber skeptisch bis ablehnend waren. Länder wie Norwegen, Dänemark oder Finnland investieren nicht grundlos in die Digitalisierung der Bildung und Konzepte wie Bring Your Own Device (BYOD) sind dort schon wesentlich verbreiteter. Sind deren SchülerInnen weniger kritisch? Eher das Gegenteil ist der Fall und in den PISA-Tests werden wir ständig von ihnen abgehängt. 

Fazit: Von Bremsern und Differenzierung!

Fahrrad und Bremsspur
Quelle: https://pixabay.com/de/fahrrad-rad-räder-fahrräder-1039291/ 06.02.2017

Endlich findet Bewegung im Bildungssektor statt. Die Digitalisierung der Bildung soll nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung verstanden werden und so, wie ich die unzähligen mir bekannten LehrerInnen einschätze, wird die Technik auch gesehen. Denn dann wird das Potenzial genützt. Retro-Ansichten gehören ins letzte Jahrhundert. Wenn wir einen Chirurgen in den 1950er Jahren in seinem OP einfrören und heute in einem OP auftauten, er wüsste nicht, wo er ist. Bei den LehrerInnen sieht das etwas anders aus.

Dennoch müssen die SchülerInnen auf diese veränderte Welt vorbereitet werden. Die Digitalisierung der Bildung spricht vor allem die Kompetenz an, auf unterschiedlichen Ebenen, in unterschiedlichen Zeitachsen und unterschiedlichen Medien zu kommunizieren. Und die sind digital. Man kann über die österreichische Tradition streiten, Technik immer als Allheilmittel ohne pädagogische Veränderungen zu sehen. Aber jetzt findet endlich Bewegung statt und BremserInnen sind hier wenig hilfreich …