Die Ablenkungen sind vielfältiger

Buch vor schwarzem Hintergrund
Quelle: https://static.pexels.com/photos/159872/book-open-pages-literature-159872.jpeg 23.05.2017

In meiner Kindheit hatte ich weit weniger Ablenkungen als die Jugend von heute. Die Hausaufgaben mussten schnell gemacht werden, damit ich mich der Freizeit widmen konnte. Meine Ablenkung bestand im Fernsehprogramm, das ein (!) Sender angeboten hat. Heute ist die Situation der SchülerInnen eine andere. Sie bewegen sich zwischen den schulischen Pflichten und den Ablenkungen sozialer Netzwerke. Schulische Inhalte müssen heute mit wesentlich mehr Faktoren konkurrieren als früher. Facebook, Youtube, Twitter, Snapchat, Instagram und Co. wirken viel interessanter als Hausaufgaben oder das Lesen eines Buches. Wenn wir den möglichen Bildungserfolg von verschiedenen Initiativen abschätzen wollen, müssen wir beleuchten, wie gut sie sich gegen die elektronischen Versuchungen durchsetzen können.

Grasflecken vs. leere Akkus

Die Sorge vieler Jugendlichen heutzutage ist, dass ihre Akkus im Smartphone leer sind, kein W-LAN verfügbar ist und sie sich nicht mehr in sozialen Netzwerken bewegen können. Die Jugendlichen treffen sich nicht mehr, um Fußball zu spielen und den Eltern ein Schnaufen abzuringen, weil das nächste Paar Jeans mit Grasflecken übersät ist. Heute schnaufen viele Eltern, weil ihre Kinder vor dem Computer sitzen, sich in der virtuellen Welt treffen, während sie in der realen Welt Fast Food verspeisen und mangels Bewegung zu Übergewicht tendieren.

Post-PC-Devices wie Smartphones und Tablets verlagern dieses Phänomen lediglich auf ein anderes Gerät. Im Unterricht kann so viel mit diesen Geräten angestellt werden, damit der Lernerfolg gesichert wird. Überhaupt hat das Internet den entscheidenden Vorteil, dass zeitgleich unzählige Informationen zur Verfügung stehen, die BenutzerInnen aber sorgfältig wählen müssen. Die Möglichkeiten der Ablenkung sind vielfältiger und die Selektion entscheidend.

Die Lehrkraft, die inspiriert …

Glühbirne in Hand
Quelle: https://static.pexels.com/photos/256307/pexels-photo-256307.jpeg 23.05.2017

Ob ein Kind gerne liest, entscheidet sich oft sehr früh, oft schon in der ersten Schulstufe. Wenn es von der Lehrkraft für das Lesen begeistert wird, entsteht ein kreativer Prozess im Gehirn des Kindes. Der/die SchülerIn kann sich für kurze Zeit in eine Parallelwelt versetzen. Konsumiert man Videos oder Spiele, findet dieser kreative Prozess nicht mehr oder sehr verändert statt. Ähnlich verhält es sich bei der Prägung anderer Verhaltensmuster.

Beispielsweise wird die Einstellung zu naturwissenschaftlichen Fächern sehr früh von der Lehrkraft auf das Kind übertragen. Dabei ist entscheidend, dass es den SchülerInnen eine Freude bereitet, einen Lernprozess zu durchlaufen. Jede/r von uns kennt noch diese eine Lehrkraft, die uns inspiriert hat. Im Nachhinein meinen wir, sie ist für unsere Berufswahl, für unsere Einstellung und für bestimmte Glaubenssätze verantwortlich.

Ablenkungen sortieren

Eine wesentliche, kulturelle Fertigkeit des 21. Jahrhunderts ist, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Diese Fähigkeit muss den SchülerInnen in der Schule vermittelt werden. Das ist eine Herkulesaufgabe für die LehrerInnen im Unterricht, denn „ihre“ Hausaufgaben konkurrieren mit der Interaktion auf sozialen Netzwerken. Statt sich mit einem Thema auseinanderzusetzen sehen sich viele SchülerInnen lieber Youtube-Videos mit einer genauen Anleitung an. Statt sich physisch zu treffen, trifft man sich lieber virtuell. Doch über die Tiefe der menschlichen Beziehungen sagt das weit weniger aus als wir denken. Über Beziehungen lernen wir und ein Lernziel kann auch auf sozialen Netzwerken verfolgt werden.

Mann vor 2 Bildschirmen
Quelle: https://static.pexels.com/photos/340152/pexels-photo-340152.jpeg 2305.2017

Wenn elektronische Versuchungen mit schulischen Aufgaben um die ungeteilte Aufmerksamkeit der SchülerInnen konkurrieren, steht die Frage der Beziehung dahinter. Ist es der Lehrkraft möglich, eine inspirierende Beziehung zu einer Schülerin oder einem Schüler aufzubauen, entsteht ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, den ein elektronisches Gerät nicht hat. Unser Smartphone oder andere Devices sind nicht in der Lage zu inspirieren. Danach wirken „Versuchungen“ wie soziale Netzwerke weit weniger attraktiv, weil kein neuer Gegenwert für die SchülerInnen entsteht. Diese Fragen stellten sich früher in einem geringeren Maße als heute, sind aber heute umso wichtiger.